Wenn Erika Mustermann zur Mörderin wird: Neuer Berlin-Tatort heute (02.11.2025) in der ARD

© rbb/Schiwago/Hardy Spitz
Seien Sie gewarnt, wenn Sie heute Abend (02.11.2025) um 20:15 Uhr die ARD einschalten: Der Berlin-Tatort "Erika Mustermann" ist weit mehr als ein simpler Sonntagskrimi. Dieser Fall, der das Duo Susanne Bonard (Corinna Harfouch) und Robert Karow (Mark Waschke) auf eine gefährliche Spur führt, entfaltet eine vielschichtige Kritik an den Schattenseiten der modernen Metropole, die tief in die Mechanismen von Bürokratie und Identitätsmissbrauch blickt. Nach der Ausstrahlung in der ARD wird der Berlin-Tatort "Erika Mustermann" auch über die Mediathek abrufbar sein.
Vom Verkehrsunfall zum Komplott der falschen Papiere
Die Handlung nimmt ihren brutalen Lauf mit dem Tod des jungen venezolanischen Fahrradkuriers Tomás Rey. Was oberflächlich wie ein tragischer Verkehrsunfall aussieht, entpuppt sich rasch als kaltblütiger Mord. Bonard und Karow tauchen in die prekäre Lebenswelt des Opfers ein. Tomás lebte, wie sein Bruder Luis (Henry Morales) und ein weiterer Freund, ohne gültige Papiere und unter falschem Namen in der Stadt - ein Leben am Rande, das ihn zum perfekten Opfer oder zum unwahrscheinlichen Zeugen gemacht haben könnte.
Der Schlüssel zur Lösung scheint zunächst bei der älteren Geliebten des Toten zu liegen: Annika Haupt (Annett Sawallisch), Sicherheitsmitarbeiterin der Bundesdruckerei. Dass die Ermittlungen die Kommissare in die Hochsicherheitstrakte der Berliner Druckerei führen, ist bereits ein seltener und spannender Einblick in einen Ort, der eigentlich Sinnbilder für Sicherheit und Fälschungssicherheit ist. Doch ausgerechnet dort scheint auf den ersten Blick nichts zu fehlen. Die Ermittler erkennen langsam, dass es nicht um den Diebstahl von Druckplatten geht, sondern um einen viel raffinierteren Plan, der die Grundlage der Identitäten selbst untergräbt.
Die ironische Tiefe des Titels
Der Titel selbst ist ein Geniestreich. "Erika Mustermann" ist der Inbegriff der deutschen Musterperson, der Platzhalter auf amtlichen Dokumenten. Dieser Titel verleiht dem Thema des Films - Identitätsdiebstahl und der verzweifelte Versuch, ein legales Leben mit gefälschten Unterlagen zu führen - eine beißende Ironie. Der Fall legt schonungslos offen, wie fragil die Identität in einem überbürokratisierten System sein kann und welche tödlichen Konsequenzen das Spiel mit falschen Pässen haben kann. Die Verflechtungen reichen von der Mordkommission bis tief in die undurchsichtigen Prozesse der Ausländerbehörde hinein.
Ein bemerkenswerter erzählerischer Kniff steigert die Spannung: Eine zentrale Zeugin ist sehbehindert. Ihre Wahrnehmung des Geschehens, gefiltert und auf andere Sinne fokussiert, bietet dem Zuschauer eine ungewöhnliche und fesselnde Perspektive auf die Ermittlungsarbeit, die über das rein Visuelle hinausgeht.
Bonards vorletzter Fall im Schatten des Systems
Für Corinna Harfouch als Kriminalhauptkommissarin Susanne Bonard markiert dieser Einsatz den vorletzten Fall im Berlin-Tatort. Obwohl sie erst vor drei Jahren zum Berliner Team stieß, ist ihr innerer Rückzug deutlich spürbar. Ihre kühle, analytische Art wird durch eine wachsende Isolation vom Team und tiefe Zweifel am System, dem sie dient, unterstrichen. In "Erika Mustermann" sieht man weniger die engagierte Ermittlerin als vielmehr eine Frau, die innerlich bereits ihren Abschied vorbereitet. Ihre Verletzlichkeit und ihre Distanz zur "offiziellen" Wahrheit des Systems bilden einen spannenden Kontrast zum komplizierten Fall, den sie lösen muss.
Dieser Tatort ist ein eindrucksvolles Plädoyer dafür, dass Genrekino relevant sein kann. Er verknüpft das klassische Verbrechen mit scharfsinniger Gesellschaftskritik an Migration und administrativer Kälte. Ein packender Krimi, der lange nach dem Abspann im Gedächtnis bleibt.








