Zwischen Inklusion und Ignoranz: Leipzig-Tatort "Freischwimmer" mit Ehrlicher und Kain heute (10.09.2025) im MDR

© MDR/Hardy Spitz
Der MDR strahlt heute um 22:10 Uhr einen ganz besonderen Leipzig-Tatort aus: die Episode "Freischwimmer". Wer nur eine einfache Krimi-Handlung erwartet, wird schnell eines Besseren belehrt. Dieser Film ist mehr als nur eine Wiederholung - er ist ein tiefgründiges Drama, das die gesellschaftlichen Abgründe hinter der sommerlichen Idylle eines Freibads aufdeckt. Mit den Kommissaren Ehrlicher (Peter Sodann) und Kain (Bernd Michael Lade) an der Spitze taucht der Zuschauer in eine Geschichte ein, die berührt, verstört und zum Nachdenken anregt.
Ein Fall, der mehr ist als Mord
Im Mittelpunkt des Films steht der tragische Tod von Leo (Christian Ehms), einem Jungen mit Down-Syndrom, der im Schwimmbecken ertrinkt. Die Umstände des Falls zwingen die Ermittler, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die in einem Krimi selten behandelt werden. Es geht um Mobbing, die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung und das komplizierte Verhältnis von Familiengeheimnissen und sozialer Verantwortung. Die Figur des ermordeten Leo ist dabei kein bloßes Handlungselement, sondern der emotionale Kern, der alle Figuren miteinander verbindet und ihre wahren Charaktere offenbart. Besonders die Eltern, gespielt von Julia Jäger als Bettina Stein und August Zirner als Martin Stein, geben dem Film eine intensive, emotionale Tiefe. Ihre Rollen sind komplex und ambivalent - sie sind Opfer und Täter zugleich, gefangen in einem Netz aus Lügen und Verzweiflung.
Geheimnisse und Lügen
Die Ermittlungen führen Ehrlicher und Kain in einen Sumpf aus verborgenen Beziehungen, alten Verletzungen und unerwarteten Wendungen. Der Bademeister Lutz Baader (Arved Birnbaum), der als ehemaliger DDR-Olympiaschwimmer ein subtiler Seitenhieb auf die Nachwende-Realität vieler Ost-Sportler ist, spielt eine zentrale Rolle. Seine Beziehung zu Leos Mutter, die beide aus der gemeinsamen Olympia-Vergangenheit verbindet, wirft weitere Fragen auf. Die Spannung wird dabei nicht durch spektakuläre Verfolgungsjagden erzeugt, sondern durch die langsamen Enthüllungen, die das menschliche Drama hinter dem Verbrechen freilegen. Jeder Zeuge hat ein Motiv zu lügen, und jede neue Information verändert die Perspektive auf den Fall. Das Drehbuch ist wie ein Puzzle, dessen Teile erst am Ende ein schlüssiges Bild ergeben.
Dieser Leipzig-Tatort ist eine Empfehlung für alle, die das Krimi-Genre nicht nur als reinen Unterhaltungskrimi sehen, sondern auch als Spiegel der Gesellschaft. Er ist mutig, weil er ein so sensibles Thema wie die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung aufgreift und dabei die Fallhöhe eines klassischen Krimis nicht verliert. Er zeigt das Ermittlerduo Ehrlicher und Kain in Höchstform und ist zudem ein Meilenstein in ihrer gemeinsamen Geschichte. Gerade weil er so nah am Ende ihrer Ära steht, bekommt er einen melancholischen, fast wehmütigen Unterton. Für Fans der beiden Ermittler ist "Freischwimmer" ein absolutes Muss und für alle anderen eine lohnende Entdeckung, die zeigt, wie tiefgründig und relevant der "Tatort" sein kann.