Schwarzwaldkrimi "Vogelfrei": Ein Mord zur Zeitumstellung - heute (06.10.2025) im ZDF

© ZDF/Frank Dicks
Heute Abend wartet ein filmisches Highlight im ZDF, das tiefer geht als der übliche Fernsehkrimi: Der Schwarzwaldkrimi: "Vogelfrei" feiert seine Premiere und verspricht eine düstere, atmosphärisch dichte Spurensuche, die nicht nur einen Mord aufklärt, sondern auch tief in die Abgründe der deutschen Geschichte blickt. Ab 20:15 Uhr nimmt dieser zweiteilige Film die Zuschauer mit in eine Welt, in der Mythen und historische Ungerechtigkeiten den aktuellen Fall bestimmen. Beide Teile des neuen Schwarzwaldkrimis sind auch über die ZDF Mediathek abrufbar.
Die Stunde, die es nicht gibt: Mordschauplatz Rabenmühle
Der Schauplatz ist so gespenstisch wie die Tatzeit selbst. Der erste Teil "Zwischenzeit" beginnt auf einer Hochzeit, doch das Glück währt nur kurz. Bräutigam Jörg Schuch verschwindet und wird kurz darauf tot an der alten Rabenmühle gefunden, an deren Mühlrad er gefesselt und ertränkt wurde. Die Ermittler, die Freudenstädter Doppelspitze Maris Bächle (Jessica Schwarz) und Konrad Diener (Max von Thun), stehen vor einem Fall, der von Anfang an seltsame, fast symbolische Züge trägt.
Die Tatzeit legt Rechtsmediziner Dr. Stefan Zabel auf die "Stunde, die es nicht gibt" fest: zwischen 2:00 und 3:00 Uhr in der Nacht der Zeitumstellung von Winter- auf Sommerzeit. Dieser knappe, ausgelöschte Zeitrahmen wird zum zentralen Motiv, das die Themen Vergänglichkeit und das Dasein in einer Zwischenwelt untermauert. Ein beunruhigendes Zitat aus dem Film - "Wer auf der eigenen Hochzeit eine Uhr trägt, gibt der Ehe wenig Zeit." - wirft zusätzlich ein ironisches Licht auf die Flüchtigkeit menschlicher Bindungen.
Das Schicksal der Jenischen: Wenn "vogelfrei" zur Lebensrealität wird
Was zunächst wie eine Rachetat aus verschmähter Liebe aussieht, zieht Maris Bächle und Konrad Diener schnell in einen Fall, dessen Wurzeln Jahrzehnte zurückreichen. Der neue Mord an der Rabenmühle spiegelt auf erschreckende Weise ein Ereignis aus dem Jahr 1985 wider. Damals wurde ebenfalls in einer Nacht der Zeitumstellung eine junge jenische Frau an genau diesem Mühlrad gefesselt und ertränkt - ein Akt der Lynchjustiz.
Der zweiteilige Krimi nutzt diesen Fall, um die Kultur und die realen Diskriminierungserfahrungen der Jenischen, eines fahrenden Volkes, zu beleuchten. Die Geschichte vermeidet jedwede folkloristische Romantisierung und ist stattdessen politisch und historisch fundiert. Im Zentrum dieser Aufarbeitung steht die Figur Vitus Kessler (Armin Rohde) und seine Enkelin Sara (Pauline Pollmann), die im wahrsten Sinne des Wortes am Rand der Gesellschaft leben und das Schicksal der "Vogelfreiheit" in sich tragen. Als Sara vermisst gemeldet wird, verdichten sich die Hinweise, dass die Hetzjagd von damals erneut beginnt.
Mythen und Kontrolle: Die dunkle Seite des Schwarzwalds
Die dunkle, nebelverhangene Landschaft rund um Freudenstadt wird einmal mehr zum Spiegel der menschlichen Seele. Der Ort der Rabenmühle, an dem gleich zwei Morde zur Zeitumstellung stattfanden, dient nicht nur als Kulisse, sondern als mythischer Ort der Erinnerung und Wiederholung. Auch die Uhr der evangelischen Stadtkirche Freudenstadt spielt eine zentrale Rolle - sie ist nicht nur ein Zeitgeber, sondern ein mächtiges Symbol für Kontrolle und die Last der Vergangenheit.
Im zweiten Teil "Das Luder", welcher direkt im Anschluss an den ersten Teil ausgestrahlt wird, eskaliert die Situation. Sara wird zur Zielscheibe von Hetze in den sozialen Medien und auf Flugblättern. Während Vitus um seine Enkelin fürchtet und Andreas Zollner (David Zimmerschied) tief in die fotografisch dokumentierte Welt der Jenischen eintaucht, um die Wahrheit von 1985 ans Licht zu bringen, zeigt sich, dass selbst in den Reihen der Ermittler und der Kirche tiefe Verwicklungen existieren. Der eigene Chef, Henrik Butzbach (Moritz Führmann), und die geheimnisvolle Küsterin Astrid Wernsmann (Hildegard Schroedter) behindern die Aufklärung, was darauf hindeutet, dass die Täter von damals nie wirklich zur Rechenschaft gezogen wurden.
Dieser Schwarzwaldkrimi ist mehr als nur ein weiterer Fall für Maris Bächle, die nach langer Abwesenheit wieder in den Dienst zurückkehrt. Es ist eine leidenschaftliche Auseinandersetzung mit der Frage, wie lange die Schatten alter Ungerechtigkeiten noch reichen und wie schwer es ist, wirklich "vogelfrei" zu leben. Die selten ausgestrahlte Reihe beweist mit diesem vierten, zusammenhängenden Fall erneut, dass sie zu den anspruchsvollsten und atmosphärisch dichtesten Formaten im deutschen Fernsehen zählt. Einschalten ist Pflicht.