Doku "Im Osten was Neues": Warum 35 Jahre Einheit heute wichtiger sind denn je - heute (08.10.2025) auf 3sat

© ZDF/René Dame
In diesen turbulenten Zeiten lohnt sich ein Blick zurück, um die Gegenwart besser zu verstehen. Heute Abend (08.10.2025) um 20:15 Uhr strahlt 3sat die aufschlussreiche Dokumentation "Im Osten was Neues - 35 Jahre Deutsche Einheit" aus, die tief in die Erfahrungen der Ostdeutschen seit 1990 eintaucht. Die Doku ist keine nostalgische Rückschau, sondern eine dringend notwendige Analyse über das Erbe der Wiedervereinigung und darüber, welche Lektionen der Osten der gesamten Bundesrepublik heute erteilen kann. Die Dokumentation "Im Osten was Neues - 35 Jahre Deutsche Einheit" ist auch über die ZDF Mediathek abrufbar.
Der Preis der Transformation: Vom Triumph zur Demütigung
Die Wiedervereinigung vor 35 Jahren veränderte das Leben der Menschen im Osten Deutschlands von Grund auf. Mit der Einheit zogen nicht nur Demokratie und Kapitalismus ein, sondern es vermischten sich neue, lang ersehnte Freiheiten blitzschnell mit massiver Arbeitslosigkeit und Demütigungen. Die Dokumentation beleuchtet diesen schmerzhaften Prozess, der von der Politik oft unter dem nüchternen Label "Aufbau Ost" verbucht wurde - was in der Realität jedoch allzu oft einem "Nachbau West" glich.
Nahezu alle Strukturen, Betriebe und Institutionen, die in der DDR existierten, wurden entweder abgewickelt, abgeschafft oder radikal umgestaltet. Dieser Prozess hinterließ tiefe, bis heute spürbare Narben in der ostdeutschen Gesellschaft. Die Doku zeigt auf, dass selbst 35 Jahre nach der Wiedervereinigung die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Ost-Biografien weiterhin schlecht bestellt ist. Ob in der Politik, in der Wirtschaft, Wissenschaft, Justiz, Kultur oder beim Militär - die Eliten stammen nach wie vor überwiegend aus dem Westen Deutschlands. Diese mangelnde Repräsentation ist eine der Kernursachen für das Gefühl des Abgehängtseins, das sich bis in die heutige Zeit zieht.
Der Erfahrungsvorsprung des Ostens: Krise als Chance
Doch die Dokumentation blickt über die Wunden hinaus und identifiziert eine einzigartige Stärke, die aus diesen turbulenten Jahrzehnten erwachsen ist: ein neuer "Ost-Stolz" oder "Ost-Trotz". Aus der monumentalen Erfahrung, eine Diktatur gestürzt und die komplette Transformation einer Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft geschultert zu haben, erwächst im Osten ein einzigartiges Selbstbewusstsein.
Gerade weil Deutschland heute in einer tiefen Krise seiner Schlüsselindustrien steckt - man denke an die Automobil-, Stahl-, Chemie- und Pharmaindustrie - und das Verhältnis zum "großen Bruder USA" zu zerbrechen droht, können die Erfahrungen der Ostdeutschen von unschätzbarem Wert sein. Die Ostdeutschen haben den Verlust eines kompletten Systems, das Zerbrechen alter Allianzen und den Zwang zur radikalen Neuerfindung bereits durchlebt. Sie besitzen einen Erfahrungsvorsprung in Sachen Resilienz und Bewältigung von Transformationen, den ihre Landsleute im Westen noch nicht gemacht haben. Die Doku liefert somit keine einfache historische Abhandlung, sondern eine scharfsinnige Mahnung: Die Erfahrungen des Ostens sind keine bloße Regionalgeschichte, sondern ein Lehrstück für das gesamte Land, um die aktuellen Herausforderungen der Gegenwart zu meistern.