Franken-Tatort "Ich sehe dich": Psychospiel statt Krimiklassik heute (14.09.2025) in der ARD

© BR/Hager Moss Film GmbH/Bernd Schuller
Endlich ist die Tatort-Sommerpause vorbei. Heute (14.09.2025) um 20:15 Uhr läuft der erste neue Tatort in der ARD. Mit dem Franken-Tatort "Ich sehe dich" tauchen die Zuschauer in einen mysteriösen Fall ein, der die Abgründe menschlicher Einsamkeit beleuchtet. Kommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) muss sich zum ersten Mal nach dem Ruhestand seiner Partnerin Paula Ringelhahn alleine beweisen, erhält aber tatkräftige Unterstützung von Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) und einem unerwarteten Begleiter. Der Fall um einen scheinbar beliebten Toten und seine heimlichen Obsessionen ist ein zähes Drama, das erst mit der Zeit seine wahre Stärke zeigt.
Ein mysteriöser Start
Gleich zu Beginn des Films wird das Publikum mit einem unkonventionellen Start begrüßt: Felix Voss zerrt sich beim Duschen die Schulter, ein Unfall, der eine komische und zugleich schmerzhafte Note in den Fall bringt. Diese Verletzung zwingt ihn, auf einen Chauffeur zurückzugreifen: den grantigen Polizeiarchivar Fred Kramer (Sigi Zimmerschied), der konsequent auf dem "Sie" beharrt. Diese skurrile Dynamik zwischen den beiden Figuren sorgt für humorvolle Momente und einen Hauch von Oldschool-Charme, der sich wie ein roter Faden durch die Ermittlungen zieht.
Doch der Fall ist alles andere als humorvoll. Andreas Schönfeld (Benjamin Schaefer), ein Fahrradhändler, der vor zwei Jahren verschwunden ist, wird tot aufgefunden. Zwei Meter tief in der Erde, in einer Flussaue bei Nürnberg, begraben. Die Ermittler stoßen auf eine tragische Ironie: Obwohl der 37-jährige Mann als freundlich und beliebt galt, hatte er kein näheres Umfeld. Beim Besuch der Mutter Erika Schönfeld (Marion Reuter) wird das Bild eines liebevollen Mutter-Sohn-Verhältnisses gezeichnet, das im krassen Gegensatz zur Einsamkeit des Toten steht.
Das Spiel mit der Ironie
Der Titel des Tatorts, "Ich sehe dich", ist eine subtile Ironie, die erst später ihre Bedeutung entfaltet. Felix und Wanda stoßen bei ihren Ermittlungen auf die blinde Lisa Blum (Mavie Hörbiger). Die Figur, die buchstäblich nicht sehen kann, scheint mehr zu erkennen als viele andere Beteiligte. Sie wird zu einem emotionalen Anker in der Geschichte, der die düstere Stimmung des Films durchbricht und dem Fall eine neue Dimension verleiht.
Doch die Ermittlungen nehmen eine verstörende Wendung, als die Kommissare herausfinden, dass Andreas Schönfeld ein heimlicher Voyeur war. Tausende von heimlich geschossenen Fotos von Frauen auf seinem Datenträger lassen das Bild des "Sonnenscheins" zerbröseln und verwandeln den Fall in ein psychologisches Drama. Diese düstere Enthüllung unterstreicht, wie oft das wahre Leben von Menschen im Verborgenen liegt.
Atmosphäre vor Tempo
Der Franken-Tatort "Ich sehe dich" startet mit einem langsamen Erzähltempo und nimmt sich viel Zeit für den Aufbau. Nach Ansicht von Kritikern dauert es mehr als 30 Minuten, bis der Fall richtig an Fahrt aufnimmt. Diese Geduld zahlt sich jedoch aus, denn die Langsamkeit ermöglicht eine dichte, beklemmende Atmosphäre, die von visuellen Anspielungen auf Alfred Hitchcocks "Psycho" verstärkt wird. Kamerafahrten und Perspektivwechsel erzeugen ein Gefühl von Unbehagen, das die psychologische Tiefe des Falls unterstreicht.
Während die Nebenhandlung um Felix Voss und seinen Chauffeur Fred zwar unterhaltsam ist, kann sie vom eigentlichen Kern der Geschichte ablenken. Der Film ist atmosphärisch stark, aber erzählerisch nicht immer überzeugend. Wer sich auf den langsamen Erzählstil einlässt, wird mit einem soliden, wenn auch nicht überragenden Einstieg in die neue Tatort-Saison belohnt.