"Wolfswinkel" zeigt, was passiert, wenn niemand Haltung zeigt - heute (03.09.2025) in der ARD

© WDR/zischlermann/Simone Weigelt
Heute (03.09.2025) um 20:15 Uhr wiederholt die ARD das packende Gesellschaftsdrama "Wolfswinkel", und es ist ein Film, den man keinesfalls verpassen sollte. Er ist weit mehr als nur ein Fernsehfilm – er ist ein Spiegel unserer Zeit, ein eindringlicher Aufruf, sich zu positionieren, wenn die gesellschaftliche Spaltung unübersehbar wird. Regisseurin Ruth Olshan lässt hier keine Zweifel an ihrer Haltung: Duckmäusertum ist verletzend. Mit "Wolfswinkel" hat sie einen Film geschaffen, der das auf persönliche und zugleich universelle Weise demonstriert. "Wolfswinkel" kann auch über die ARD Mediathek abgerufen werden.
Das Dorf, das seine Geschichte vergisst
Die ländliche Kulisse des Films, gedreht in Brandenburg, mag auf den ersten Blick idyllisch erscheinen. Doch unter der Oberfläche brodelt es. Auslöser ist eine verschwundene Straße, die einst von KZ-Häftlingen gebaut wurde. Dieses Stück Pflaster, ein steinernes Mahnmal der Geschichte, wird über Nacht wegasphaltiert. Was für die meisten Dorfbewohner nur eine Erleichterung darstellt - endlich keine holprige Piste mehr - entfacht einen Sturm der Empörung bei der engagierten Lehrerin Anja. Es ist diese ungewöhnliche, aber historisch aufgeladene Handlungsidee, die dem Film seine enorme Tiefe verleiht. Die Straße wird zur Metapher: Sie steht für die Erinnerung, die weggewischt werden soll, für die Verdrängung einer unbequemen Vergangenheit, die sich in der Gegenwart plötzlich wieder manifestiert.
Wenn alte Freundschaften an Ideologien zerbrechen
Im Zentrum des Dramas steht die Polizistin Melanie, überzeugend gespielt von Annett Sawallisch, die hier ihr bemerkenswertes Debüt in einer Hauptrolle gibt. Melanie, eine Frau, die Harmonie über alles schätzt, muss sich plötzlich zwischen zwei Welten entscheiden, die durch die verschwundene Straße getrennt werden. Auf der einen Seite steht ihre alte Schulfreundin Anja, die für Anstand und historische Verantwortung kämpft. Auf der anderen Seite die ebenfalls heimgekehrte Jugendfreundin Lydia, die als Influencerin mit dem Slogan „Holt euch eure Heimat zurück!“ eine rechte Agenda verbreitet. Claudia Eisinger verkörpert diese Figur der gescheiterten Schauspielerin, die ihre neue Popularität für die Verbreitung von Parolen nutzt, mit einer erschreckenden Präzision. Es ist ein beklemmend aktuelles Thema für einen deutschen Fernsehfilm und zeigt, wie sich rechte Ideologien in den sozialen Medien breitmachen und in die kleinsten Gemeinschaften hineinwirken.
Persönliche Krisen im politischen Strudel
Melanie steckt nicht nur im politischen Dilemma fest, sondern auch in einer zutiefst persönlichen Krise. Sie ist schwanger von einem verheirateten Mann und muss eine Entscheidung treffen, die ihr gesamtes Leben verändern wird. Diese private Zerrissenheit spiegelt die öffentliche wider. Ihr Wunsch, sich aus allem rauszuhalten, prallt auf die harte Realität. "Wolfswinkel" macht deutlich, dass es in Zeiten der Spaltung keinen neutralen Boden gibt. Man kann sich nicht raushalten, ohne sich schuldig zu machen. Melanies innerer Kampf um das Richtige wird zum emotionalen Kern des Films und macht ihre Entwicklung von der harmoniesüchtigen Zögerin zur verantwortungsbewussten Polizistin so bewegend.
Lohnt sich das Einschalten? Absolut. "Wolfswinkel" ist ein starkes, emotionales und unglaublich aktuelles Drama, das uns mit seinen Fragen nach Freundschaft, Verantwortung und dem Umgang mit unserer Vergangenheit nicht loslässt. Es zeigt, wie gefährlich es ist, die Augen zu verschließen, wenn Hassparolen salonfähig werden. Annett Sawallisch, das Ensemble und die Regie von Ruth Olshan haben einen Film geschaffen, der Mut macht, hinzusehen und aufzustehen.