Wiesbaden-Tatort "Murot und der Elefant im Raum": Grenzgänger zwischen Wahnsinn und Wahrheit - heute (28.12.2025) in der ARD

© HR/Senator Film/Dietrich Brüggemann
Die Fans des klassischen Tatorts müssen heute Abend (28.12.2025) ganz stark sein, denn wenn Felix Murot (Ulrich Tukur) in der ARD ermittelt, bleibt kein Stein auf dem Boden der Realität. Um 20:15 Uhr startet mit dem Wiesbaden-Tatort "Murot und der Elefant im Raum" ein neues erzählerisches Experiment, das den Zuschauer tief in die Abgründe des menschlichen Unterbewusstseins führt. Wer einen nüchternen Polizeibericht aus Wiesbaden erwartet, wird enttäuscht, denn dieser Tatort will alles sein, nur nicht realistisch. Erneut setzt die Reihe auf ein Mindgame, das die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit konsequent einreißt und Murot auf eine Reise schickt, die selbst für seine Verhältnisse als absolut schräg bezeichnet werden kann. Der neue Wiesbaden-Tatort "Murot und der Elefant im Raum" ist nach Ausstrahlung auch über die ARD Mediathek abrufbar.
Ein Bleistift und die Flucht in den Taunus
Auslöser für das ganze Spektakel ist ein verzweifelter Akt mütterlicher Intuition, der in einer Katastrophe endet. Eva Hütter (Nadine Dubois) entführt ihren fünfjährigen Sohn Benjamin direkt aus dem Familiengericht, bewaffnet mit nichts weiter als einem spitzen Bleistift. Die Flucht führt sie in die einsamen Wälder des Taunus, wo sie den Jungen in einer abgelegenen Hütte versteckt. Doch das Schicksal schlägt grausam zu: Auf dem Weg zurück verunglückt Eva bei einer Verfolgungsjagd schwer und fällt ins Koma. Zurück bleiben ein verzweifelter Vater, ein ratloses Ermittlerduo und die quälende Frage nach dem Verbleib des Kindes, das irgendwo in der Wildnis allein gelassen wurde.
Die Maschine im Kopf
Murot wäre nicht Murot, wenn er zur Lösung dieses Rätsels auf konventionelle Verhörmethoden setzen würde. Da die Mutter schweigt, entscheidet er sich für einen radikalen Schritt und nutzt die Apparatur seines Psychiaters Dr. Schneider (Robert Gwisdek). Diese Maschine erlaubt es ihm, in das Bewusstsein der Koma-Patientin einzusteigen und dort nach Hinweisen auf das Versteck zu suchen. Was folgt, ist ein psychedelischer Trip durch eine innere Landschaft, die gleichzeitig zur Spiegelung von Murots eigener angegriffener Psyche wird. Regisseur Dietrich Brüggemann, der bereits mit früheren Experimenten der Reihe für Aufsehen sorgte, inszeniert diese Seelenwanderung mit einer Mischung aus trockenem Humor und surrealem Grauen.
Groteske Gastspiele und skurrile Momente
Besondere Aufmerksamkeit dürften die ungewöhnlichen Cameo-Auftritte erregen, die den neuen Wiesbaden-Tatort zusätzlich aus dem Rahmen fallen lassen. Mit Christian "Flake" Lorenz von Rammstein und dem Musiker Heinz-Rudolf Kunze bereichern zwei prominente Gesichter das Ensemble und unterstreichen den Charakter eines bewusst überdrehten Kunstwerks. Es sind genau diese Details, die den Wiesbaden-Tatort so einzigartig machen: Er oszilliert ständig zwischen absurder Comedy und echtem Thriller, ohne sich jemals festlegen zu wollen. Magda Wächter (Barbara Philipp) fungiert dabei wie gewohnt als der letzte Anker der Vernunft, während ihr Partner sich in den Metaebenen seiner eigenen Gedanken verliert.
Ein Krimi als cleveres Gedankenspiel
Am Ende bleibt ein Werk, das die Gemüter spalten wird, da es den Kriminalfall fast zur Nebensache degradiert. Der Wiesbaden-Tatort "Murot und der Elefant im Raum" funktioniert eher als stilistisches Experiment denn als zwingender Krimi, weil der eigentliche Fokus auf der technischen und psychologischen Spielerei liegt. Dennoch bietet der Film mutiges Fernsehen, das sich traut, die Sehgewohnheiten des Publikums massiv herauszufordern. Wer bereit ist, sich auf dieses Mindgame einzulassen und keine logische Auflösung im herkömmlichen Sinne verlangt, wird mit einem bildgewaltigen und geistreichen Abend belohnt, der noch lange nachwirkt.








