Köln-Tatort "Siebte Etage": Mord im Eroscenter heute (11.10.2025) im WDR

© WDR/Martin Valentin Menke
Wieder einmal beweist der WDR, dass alte Tatort-Folgen nichts von ihrer Brisanz verlieren: Heute (11.10.2025) um 20:15 Uhr läuft mit "Siebte Etage" eine Wiederholung eines Köln-Tatorts, der nicht nur durch seinen ungewöhnlichen Schauplatz, sondern auch durch eine beklemmende Milieustudie fasziniert. Regisseur Hüseyin Tabak liefert hier keinen Krimi von der Stange, sondern ein psychologisches Sozialdrama mit starker regionaler Verankerung. Der Köln-Tatort "Siebte Etage" ist auch über die ARD Mediathek abrufbar.
Der melancholische Mikrokosmos des Eroscenters
Der Fall für die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) beginnt mit einem Toten vor einem Kölner Eroscenter. Haustechniker Malik Zeman (Mehdi Salim) wurde aus einem Fenster der titelgebenden siebten Etage gestoßen. Dieser Stock ist nicht einfach nur ein Bordell; Regisseur Tabak inszeniert ihn als melancholischen Mikrokosmos, in dem berufliche und private Identitäten der Prostituierten (darunter Jasmin Backes, gespielt von Antonia Bill) auf engstem Raum verschwimmen. Es ist eine Welt voller gebrochener Biografien und erzwungener Loyalitäten, die unter der Last des ersten Mordes schnell zerbricht.
Die Ermittlungen führen Ballauf und Schenk tief in die Komplexität dieses Milieus. Sie stoßen auf Drogenvorwürfe, denen Malik ausgesetzt war, und auf die Intrigen der Friseursalon-Betreiberin Kaja Zeman (Nuriye Jendroßek), Maliks eigener Schwester, die ihn loswerden wollte, weil er eine Perücke beschädigt hatte. Doch bald zeigt sich, dass mehr als nur ein Streit um Kokain oder Haare das Klima vergiftet.
Die Rap-Ikone und die Reinigungskraft
Besonders besticht der Film durch seine Besetzung und die starken Nebenfiguren. Die frühere Rap-Ikone Sabrina Setlur überzeugt in einer überraschend tiefen Rolle als Chiara Passlak, die Inhaberin des Nagelstudios. Setlur verkörpert die Figur mit einer lakonischen Härte, die die zerbrochenen Träume Chiaras - die ihre Altersversorgung durch dubiose Aktien verlor - perfekt widerspiegelt. Als Chiara Passlak wenig später erschlagen am Herkulesberg aufgefunden wird, wird aus dem Einzelfall ein komplexes Drama mit doppeltem Boden.
Für die nötige Prise urkölschem und trockenem Humor sorgt Reinigungskraft Renate Schüttgen (Hella-Birgit Mascus), die mit ihren trockenen One-Linern die Fassade der scheinbaren Harmonie wegschrubbt. Sie ist die unaufgeregte Chronistin der siebten Etage, die mehr sieht, als sie sagt.
Ausbeutung und Affekt - ein moralisches Graugebiet
Das Drehbuch des erfahrenen Teams Eva und Volker A. Zahn setzt erneut auf moralische Grauzonen. Im Zentrum des Konflikts stehen nicht nur die Morde, sondern auch Themen wie Ausbeutung, Selbstbestimmung und soziale Abhängigkeit. Die Kommissare enthüllen, dass die Prostituierte Jasmin Backes Malik im Affekt aus dem Fenster stieß, nachdem dieser sich respektlos verhalten hatte. Als Chiara dies filmte und Jasmin erpresste, tötete Jasmin auch sie. Die Gewalt eskaliert schließlich, als Jasmin auch den Geschäftsführer Gerald Kneissler (André Eisermann) erdrosselt, nachdem dieser eine Kollegin wegen eines Verstoßes gegen die Kondompflicht aus dem Etablissement geworfen hatte.
Der Köln-Tatort "Siebte Etage" ist kein klassischer Action-Krimi, sondern eine Milieustudie, die zum Nachdenken anregt. Das Ende, das mit einer Kamerafahrt durch die siebte Etage schließt - und eine neue Prostituierte im Zimmer von Jasmin zeigt - unterstreicht die bittere Erkenntnis: Im Mikrokosmos des Eroscenters bleibt das System von Ausbeutung und verzweifelter Suche nach Identität bestehen, selbst wenn die Biografien einzelner Figuren zerbrechen. Wer komplexe Charaktere und Gesellschaftskritik statt Kugelhagel sucht, wird von diesem herausragenden Köln-Tatort nicht enttäuscht.